Grundlagen Rinderhaltung


Einleitung

Die Rinderhaltung begann vor mehr als 8.000 Jahren in Anatolien und auf dem südlichen Balkan und die Nutzungsrichtungen veränderten sich im Laufe der Geschichte. Das Rind wurde ursprünglich als Zugtier genutzt, das auch Milch, Fleisch und Häute lieferte. Mit Mechanisierung in der Landwirtschaft Mitte des 20. Jahrhunderts waren Zugtiere nicht mehr erforderlich und die Mutterkuhhaltung hielt in Deutschland Einzug.
Heute steht die Erzeugung von Milch und Fleisch im Vordergrund. Von den 27 Prozent des deutschen Landwirtschafts-Produktionswertes entfallen 19 Prozent auf Milchvieh (mit wenigen Rassen), und 8 Prozent auf Nutz- und Schlachtvieh. Etwa 15 Prozent der Kühe werden in großer Rassenvielfalt in der Mutterkuhhaltung genutzt. Leichte, robuste Rassen werden in der Landschaftspfege eingesetzt. Durch nationale (GEH und deutschen Rinderzuchtorganisationen) und internationale Anstrengungen wird versucht, die Vielfalt der alten, regionalen Rinderrassen zu erhalten, da diese vom Aussterben bedroht sind. 

Fachsprachlich sind Rinder eine Gattungsgruppe der Hornträger. 
Als domestizierte Nutztiere werden von den Rindern Hausrind und Büffel gehalten. 
Umgangssprachlich und in allen weiterführenden Texten ist mit Rind immer das Hausrind gemeint. Rind ist der Sammelbegriff für alle GeschlechterAltersgruppenNutzungsarten und Rassen.
Rinder können nach ihrer Nutzungin Fleischlieferanten, Milchlieferanten und Arbeitstiere unterschieden werden. 
Die Rassenwurden herausgezüchtet, um die Anforderungen an die Nutzung und Haltung besser zu erfüllen. Die nachfolgende Auflistung enthält die wichtigsten Bezeichnungen für Rinder hinsichtlich Nutzung, Alter, Geschlecht und Produktionsstufe.


Milchkuh: weibliches Rind, das ab der ersten Abkalbung (= Geburt eines Kalbes) zur Milcherzeugung gehalten wird.
Zweck: Milchlieferant.
Mutterkuh: weibliches Rind, das ab der ersten Abkalbung die gemeinsam gehaltenen Kälber säugt.
Zweck: Säugung der Kälber.
Kalb: männliches oder weibliches Rind, das jünger als 6 Monate ist.
Mastkalb: ein Kalb, das gemästet wird.
Zweck: Fleischproduktion.
Milchmastkalb: ein Kalb mit einem Alter von weniger als 4 Monaten, das mit viel Milch gemästet wird.
Zweck: Fleischproduktion.
Einsteller: männliche und weibliche Rinder in einem Alter von 6 – 9 Monaten.
Jungvieh: männliche und weibliche Rinder, die älter als 6 Monate sind. Weibliches Jungvieh hat noch nicht abgekalbt, männliches Jungvieh steht noch vor der Zuchtreife.
Mastrind: männliche und weibliche Rinder, die älter als 6 Monate sind.
Zweck: Fleischproduktion.
Jungrind: Ochsen (kastrierte männliche Rinder) und Kalbinnen im Alter bis 12 Monaten, die hauptsächlich aus Mutterkuhhaltung stammen.
Jungstier: männliche Rinder in einem Alter bis zu 20 Monaten.
Almochse: männliches, kastriertes, ca. 2,5-jähriges Rind, das mindestens zwei Sommer auf einer Alm gelebt hat. Kastriert werden männliche Rinder im Alter von ungefähr 2 Monaten.
Zweck: Fleischproduktion.
Kalbin, Färse, Starke: junges weibliches, schon geschlechtsreifes Rind, das noch nicht abgekalbt hat.
Zuchtstiere: männliche Rinder ab Zuchtreife.
Zweck: Zucht.

Rinderrassen

  • Milchrassen  - Bei milchbetonten Rassen liegt der Schwerpunkt der Zucht auf der Milchleistung. Hohe Milcheistungen bringen das Holstein, das Braunvieh und das Jersey.
  • Fleischrassen - Im Gegensatz zu den milchbetonten Rassen steht bei fleischbetonten Rindern die Produktion von Muskelmasse im Vordergrund.Fleischrassen erreichen entweder ein hohes Endgewicht oder zeichnen sich durch schnelles Wachstum aus. Typische Fleischrassen sind CharolaisLimousinGallowayAngusHereford und Blonde d’Aquitaine. Eine Ausnahme ist das kleinwüchsige Hochlandrind.
  • Zweinutzungsrassen - Zweinutzungsrassen kombinieren die Eigenschaften der milch- und fleischbetonten Rassen. Dabei kann der Schwerpunkt mehr auf Milch- und Fleischleistung liegen oder eine Kombintion aus beidem sein. FleckviehGrauviehGelbvieh und Blondvieh sind Rinder, die sowohl Fleisch als auch Milch liefern. Fleck- und Braunvieh werden immer beliebter. Das Braunvieh wird bereits den Doppelnutzungsrassen zugeschrieben. 

Haltungsformen 

1. MILCHKUHHALTUNG


Einzelhaltung, Gruppenhaltung


Der Anbindestall ermöglicht die individuelle Fütterung und die bessere Kontrolle des Einzeltieres. Das Anbinden verhindert aber das natürliche Verhalten der Rinder. 
Ab dem Jahr 2011 ist der Anbindestall in der biologischen Rinderhaltung verboten.
Laufställe setzen sich gegenüber Anbindeställen immer mehr durch. Laufställe sind verschieden ausgestattet. Es gibt den Boxenlaufstall, den Tretmiststall und den Tiefstreustall.
Bei allen Haltungsarten gilt: Der tägliche Auslauf ist für Rinder wichtig!
Nachteil Anbindestall
  • Geringe Bewegungsfreiheit schadet der Gesundheit.
  • Keine Trennung zwischen Fress-, Liege-, Lauf- und Melkplätzen.
  • Sozialverhalten des Herdentiers "Rind" wird verhindert.
Vorteile Laufstall
  • Die Bewegungsfreiheit fördert die Gesundheit.
  • Trennung zwischen Fress-, Liege-, Lauf- und Melkplätzen.
  • Das Sozialverhalten des Herdentiers "Rind" wird möglich.

2. KÄLBERHALTUNG

Einzelhaltung (längstens bis 8. Lebenswoche), Gruppenhaltung

Maximal acht Lebenswochen dürfen Kälber einzeln gehalten werden. Sie sollten aber so schnell wie möglich in eine Gruppe kommen. Kälber können nach ihrer zweiten Lebenswoche in einer Gruppe gehalten werden.
Vorteile Gruppenhaltung
  • Bewegungsfreiheit wird geboten.
  • Spieltrieb wird ausgelebt.
  • Sozialverhalten wird entwickelt.
Die Kontrolle des Einzeltieres wird durch die Gruppenhaltung aufwändiger.
Kälber werden in Warm- und Kaltställen oder im Freien(Hütten oder Iglus mit Auslauf) gehalten. Es ist nach EU-Richtlinien verboten Kälber in Anbindehaltung und aufVollspaltenböden zu halten.
Vorteile Außenhaltung
  • Frischluft fördert die Gesundheit durch geringe Keimbelastung.
  • Fliegenbefall ist geringer.
  • Wirtschaftlich, da die Kälberhütten kostengünstig auf- und abgebaut werden können.

3. MUTTERKUHHALTUNG

In der Mutterkuhhaltung bleibt das Kalb nach der Geburt bei der Kuh und wird gesäugt.Einraumlaufstall und Mehrraumlaufstall sind typisch für die Mutterkuhhaltung. Der Mehrraumlaufstall ist ein Boxenlaufstall. Es wird weiter unterschieden in Tiefstreustall undTretmiststall.
Vor- und Nachteile Einraumlaufstall
  • Geringere Investition durch Altgebäudenutzung.
  • Höherer Arbeitsaufwand.
  • Keine Trennung zwischen Fress-, Liege-, Lauf- und Melkplätzen.
Vor- und Nachteile Mehrraumlaufstall
  • Höhere Investition durch Neu- oder Umbau.
  • Geringerer Arbeitsaufwand.
  • Trennung von Fress-, Liege-, Lauf- und Melkplätzen.

4. JUNGVIEH-/MASTVIEHHALTUNG

Gruppenhaltung


Die Anbindehaltung widerspricht den natürlichen Bedürfnissen von Jungvieh.
Die Gruppenhaltung ist für die Entwicklung der Jungtiere wichtig. Die frühe Herdenbildung verhindert Rangkämpfe und senkt die Verletzungsgefahr. Stallformen sind Einraum- bzw. Mehrraumlaufstall,Boxenlauf-, Tretmist- und Tiefstreustall.

Vor- und Nachteile Einstreuhaltung
  • Höherer Arbeitsaufwand.
  • Geringere Verletzungsgefahr.
  • Höhere Mastleistung.
Vor- und Nachteile Vollspaltenbodenhaltung
  • Geringerer Arbeitsaufwand.
  • Höhere Verletzungsgefahr.
  • Geringere Mastleistung.


Des Weiteren wird bei der Rindermast unterschieden zwischen

  • Kälbermast
  • Mast weiblicher Jungrinder
  • Bullenmast
  • Ochsenmast
  • Mutter- und Ammenkuhhaltung
  • Färsenvornutzung

GEBÄUDEFORM

Stallsysteme werden nach ihrer Gebäudeform unterschieden.
Es gibt die Haltung im Warm- und im Kaltstall. Sonderformen des KaltstallssindOffenfrontstall und  Außenklimastall.
Der Kaltställe sind für Rinder klimatisch am günstigsten und gesündesten. Wichtig sind auch im Kaltstall der Windschutztrockene Liegeflächen und die Versorgung mit genügend Futter.

Warmstall

Warmställe sind geschlossene Gebäude. Die Stallwände sind wärmegedämmt. Die Tiere werden dadurch vor den Außentemperaturen geschützt.
Geschlossene gut isolierte Gebäude sind fürAnbindeställe nötig, weil die Tiere sich nur wenig bewegen können. Warmställe sind unnötig, wenn sich die Tiere frei in einemLaufstall bewegen können.

Kaltstall

Rinder vertragen Kälte. Der Kaltstall wird deshalb immer häufiger in der Rinderhaltung. Ein Kaltstall hat keine Wärmedämmung. Er wird auch nicht künstlich belüftet oder beheitzt. Die Stalltemperatur und die Außentemperatur sind fast gleich. Im Stall ist es meist ca. 5°C wärmerals draußen.
Damit eine natürliche Be- und Entlüftung erfolgen kann, ist bei Offenfrontställen eineGebäudeseite offen. Kaltställe haben genügend offene Flächen, die nach Bedarf abgedeckt werden können.
Bei der Haltung in Außenklimaställen sind die Tiere dem Wetter ausgesetzt. Es gibt nur wenig Wetter- und Windschutz. Der Liegebereich der Rinder soll trocken bleiben. Er wird durch Überdachung und Windnetzeabgeschirmt.



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Eine Kuh hat vier Mägen: Pansen, Netzmagen, Blättermagen und Labmagen. Der Pansen ist eine grosse Gärkammer, in die das grob zerkaute Futter zuerst gelangt. 

Nach dem Fressen ruht sich die Kuh aus und beginnt mit dem Wiederkäuen. Dabei wird die Nahrung weiter zerkleinert, bevor sie erneut geschluckt wird. 

Der Netzmagen hat eine Sortierfunktion: Grössere Nahrungsbestandteile gelangen zurück in den Pansen, was fein genug ist, wird in den Blättermagen weitergeleitet.

Dies erfolgt nach 1 bis 3 Tagen. 

Der Blättermagen entzieht dem Nahrungsbrei Feuchtigkeit und leitet ihn in den Labmagen. In diesem eigentlichen Magen laufen die gleichen Vorgänge ab wie im Magen eines Nichtwiederkäuers.

Schematik Kuhmagen


Schematischer Aufbau der Mägen einer Kuh (Hausrind)
Die vier Mägen haben ein Fassungsvolumen von bis zu 230 Litern. Der Darm hat eine Länge von bis zu 60 Metern.
Beschreibung:

a) Speiseröhre
b) Pansen
c) Netzmagen
d) Blättermagen
e) Labmagen
f) Darm


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KLASSIFIZIERUNG


Unmittelbar nach der Schlachtung muss der Rinderschlachtkörper klassifiziert und entsprechend gekennzeichnet werden. Diese Klassifizierung ist durch EU-weite Vorschriften festgelegt.

Rinderschlachtkörper werden weiter nach ihrer Fleischigkeit und ihrem Fettgewebe bewertet.
Die Fleischigkeit beschreibt indirekt den Ausmästungsgrad, das Fleisch-Knochen-Verhältnis und die Proportionen der Teilstücke zueinander. Die Fleischigkeit ist in 5 Klassen unterteilt.
E. Außergewöhnliche Muskelfülle, extrem fleischig.
U. Sehr gute Muskelfülle.
R. Gute Muskelfülle.
O. Durchschnittliche Muskelfülle.
P. Geringe Muskelfülle, kaum fleischig.

Die Beurteilung des Fettgewebes des Schlachtkörpers ermöglicht indirekte Aussagen über AusmästungsgradFleisch-/ Fettverhältnisse und Marmorierung des Fleisches.
Zur Beurteilung dient u. a. die Dicke der Fettschicht auf der Innenseite der Brusthöhle. Die Fettgewebe-Klassen reichen von 1 bis 5.
1. Sehr gering: keine bis sehr geringe Fettabdeckung, kein Fettansatz in der Brusthöhle.
2. Gering: leichte Fettabdeckung, Muskulatur in der Brusthöhle deutlich sichtbar.
3.Mittel: Muskulatur fast überall mit Fett abgedeckt, leichte Fettansätze in der Brusthöhle.
4.Stark: Muskulatur mit Fett abgedeckt, deutliche Fettansätze in der Brusthöhle.
5.Sehr stark: Schlachtkörper ganz mit Fett abgedeckt, starke Fettansätze in der Brusthöhle.
Unverzüglich nach der Einstufung des Rinderschlachtkörpers muss der Klassifizierer ein Protokoll erstellen. Das Protokoll muss ein Jahr aufbewahrt werden. Darin müssen nachfolgende 8 Punkte unbedingt enthalten sein.
1. Die zur Identifizierung verwendete Ohrmarke des Tieres.

2. Die fortlaufende Schlachtnummer.

3. Angaben zur Identifizierung des Lieferanten.

4. Die Fleischigkeits- und Fettgewebeklasse.

5. Die Kategorie.

6. Das Warmgewicht.

7. Der Schlachttag.

8. Der Namen des Klassifizierers und dessen Unterschrift.

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